5 Wege, entspannt Gäste in Marokko zu empfangen

Gastfreundschaft die Zweite

In meinem Beitrag   Wenn Besuch kommt, Gastfreundschaft die Erste habe ich beschrieben, wie es zuhause abgeht, wenn Gäste kommen. Hier sollt ihr erfahren, warum sich die Menschen den ganzen Stress antun. Reine Nächstenliebe? Ich dachte immer, die Menschen haben einfach große Herzen und sie lieben es, Gäste zu empfangen. Ich dachte, was für eine tolle Eigenschaft und Großzügigkeit. Große Herzen haben sie, aber ich habe verstanden, dass Gastfreundschaft nicht immer nur damit zu tun hat. Was also steckt manchmal noch dahinter?

Was heißt Gastfreundschaft?

Gäste empfangen ist in Marokko alltäglich, aber auch aufreibend. Nicht einfach nur Tür auf, und einen leckeren Kaffee kochen. Nee, nee. Das wäre zu einfach. Da wird, wenn Zeit ist, geputzt, gebacken, und gewienert. Meistens ist jedoch keine Zeit mehr. Denn der Besuch kommt oft unangemeldet.

Zur Gastfreundschaft gehört unbedingt dazu, dass das Haus immer offen steht. Bewundernswert werden alle eigenen Pläne über Bord geworfen. Ich habe nicht nur einmal erlebt, dass ein geplanter Ausflug abgeblasen wurde, weil es plötzlich an der Tür klingelte. Aber warum werden die Besucher nicht einfach höflich auf ein anderes Mal vertröstet? Da genauso groß wie eben erwähntes Herz der Stolz dieser Menschen ist. Ist der einmal verletzt, braucht das Herz viele, viele Wiedergutmachungen, um ihn zu kitten.

Als Beispiel: Mein Mann würde in Deutschland nie unangemeldet erscheinen. Einmal, weil er es höflicher findet, sich anzukündigen. Zweitens, da die Wahrscheinlichkeit in Deutschland hoch ist, dass der Besuchte direkt sagt, wenn der spontane Besuch etwas unpassend ist (in diesem Fall zeitlich gemeint). Diese Abweisung würde sein Stolz nicht verkraften und die Freundschaft ins Wanken bringen. Was für mich Ausdruck für eine gute Freundschaft ist, ist für ihn nicht wegzustecken. Um solch einem Problem aus dem Weg zu gehen, ruft er an oder geht nicht. Ich dagegen lasse es immer, wenn es sich ergibt, auf den Versuch ankommen.

Wie kann man sich auf unerwarteten Besuch vorbereiten?

Indem die Salons (Wohnzimmer), wenn die Familien genug Platz haben für einen und nicht mit 15 Personen in zwei Zimmern leben, unbewohnt und ungenutzt sind. Ein Salon ist wie ein Krankenhaus. Steril, kein eigenes Leben, wenig Flair. Es sei denn Besucher kommen. Ich habe Salons gesehen, die das größte und schönste Zimmer im Haus darstellten und vielleicht fünfmal im Monat genutzt wurden. Ansonsten Tür verschlossen und Tabu für alles, was kreucht und fleucht. Vor allem für schokoladenhändige, springende, pupsende Rotznasen. Wenn das funktioniert, dann braucht man nicht wienern und putzen, da außer Gästen niemand der Familie den Fuß in diesen Raum setzen darf. Bei uns ist das anders. Wir nutzen unser Wohnzimmer, bzw. Salon. Hier wird gelebt. Aus diesem Grunde verläuft das bei mir wie im Beitrag Wenn Besuch kommt: Gastfreundschaft  beschrieben. Hält man es also auf diese Weise, so ist die erste Hürde genommen. Wie aber sind die Gäste zu bewirten? Opulent darf es sein, und so soviel Auswahl wie möglich.

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Beweggründe

Aber warum wird denn nicht einfach nur Kaffee gekocht und sich gefreut, dass wir  uns haben? Sich unterhalten, bisschen Kekse geknabbert und tschüß. Es gibt nur einen Grund: Die Gastgeberin will ihre Großzügigkeit zeigen, will den Gästen zeigen, dass sie für die Gäste alles und auch nur das Beste auffährt. Sie wollen den Gast willkommen heißen. Aber nicht nur aus Eigennutz. Auch aus Angst vor schlechtem Gerede.

Sind nicht genug Croissants auf dem Tisch, könnte man schlecht reden. Schmeckt der Tee nicht, könnte man schlecht reden. Werden die Sachen einzeln und nicht auf dem Tablett in den Raum getragen, könnte man schlecht reden. Ist das Brot alt oder die Kekse zerbrochen, könnte man schlecht reden. Und so weiter und so fort. Und tatsächlich. Es gibt Marokkaner, die schauen wirklich ganz genau hin. Bewerten das Essen, die Getränke, die Sauberkeit sowie die Bemühung der Gastgeberin. Das erfahre ich dann, wenn es über Umwege über andere Quellen, wieder zu mir zurückkommt.

Und so versuchen sich die Gastgeberinnen, zu übertrumpfen. Königsdisziplin ist hierbei eine Hochzeit, die von mir hier Abfeiern auf marokkanisch beschrieben wurde. So kommt es, dass sich  ein großes Angebot als Must-have durchgesetzt hat. So kommt es, dass ich nicht das Gefühl habe, dass die Gegenwart des Anderen das Wichtigste ist. Das Wichtigste ist, dass an meinem Verhalten nichts auszusetzen ist und ich daher beim Gastgeberranking gut abschneide. Irgendwie ein stressiges Unterfangen und nicht die besten Voraussetzungen für eine unbefangene Begegnung.

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Wie gehe ich damit um?

Ich kann nicht behaupten, dass diese Eigenart mich nicht berührt hat. Ich sehe, wie ich öfter aufräume als sonst, wie ich wider besserem Wissen 10 Baguettes kaufe für drei Leute, wie ich die Teller bis zum Abwinken vollschütte mit Nüssen und Süßigkeiten, auch wenn das niemals ein normaler Mensch essen kann. Auch nicht mit einem Magen so groß wie das eines Walrosses. Ich erkenne an mir, wie der Tisch geleckt auszusehen hat, wenn Besuch kommt. Wie ich Gläser poliere. Alles das habe ich vorher nicht gemacht. Aber es hat sich auch nicht erst seit Marokko verändert. Auch vorher schon, durch meinen Kontakt mit Familien aller Kulturen, bewegte sich da was. Mal hier was stibitzt, mal da. Verhaltenstechnisch gesehen. Kulturen fließen eben.

Warum mache ich das?

Aus Angst vor Gerede? Das Gerede ist mir herzlich egal. Nein, das stimmt nicht, muss ich eingestehen. Egaler als den Marocs vielleicht, aber ganz egal bestimmt nicht. Ich will nicht als Schlampe dastehen. Aber vor allem anderen finde ich es finde es eine tolle und erstrebenswerte Eigenschaft, dass jemand immer kommen kann, auch wenn sie meine Pläne torpedieren. Ich will anderen eine Freude machen. Ich habe mich daran gewöhnt, dass neben Brot und Olivenöl auch Patisserie und Nüsse angeboten werden. Fehlt das, sieht der Tisch so leer aus.

Ich mache das aber auch, um die Menschen nicht vor den Kopf zu stoßen. Denn, wenn sie sich willkommen fühlen, sobald sich der Tisch vor Essen biegt, wie fühlen sie sich dann wohl, wenn tatsächlich mal minimalistisch angesagt ist? Niemand fühlt sich gerne unwillkommen.Um sie vor dem Verhungern zu bewahren, folge ich dem Brauch.

Aber es könnte noch eine andere Konsequenz haben? Sie könnten nicht wieder kommen. Weil sie sich nicht willkommen fühlen. Das wäre fatal, angesichts meiner Lage dass ich gerade um meine Integration kämpfe und um jeden Kontakt. Aber vor aller Brot- und Gebäckauswahl ist und bleibt für mich der Mensch und das Gespräch das Wichtigste. Und ich kann es nur noch einmal betonen, im Gesamtpaket finde ich es eine Qualität und einen großen Wert: die Gastfreundschaft.

Hier also die 5 Strategien, um Gastgeberin in Marokko zu spielen:

  1. Den Salon für jeglichen Zutritt sperren
  2. Immer Gebäck im Hause haben
  3. Eine neue Tischdecke im Schrank bunkern, die nur zu dem Zweck im fliegenden Wechsel auf den Tisch kommt
  4. Wenn man einen Termin hat, das Haus sicherheitshalber gleich nach dem Mittagessen verlassen
  5. Alles locker sehen.

Ich praktiziere übrigens nur Punkt 3 und 5. Ich hoffe, sie kommen trotzdem alle wieder.

 

Und ihr? Was ist für Euch Gastfreundschaft? Lasst es mich und andere wissen!

 

 

 

 

6 Antworten auf „5 Wege, entspannt Gäste in Marokko zu empfangen

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  1. Salam aleikum

    Liebe Schwester ich möchte dich bitten meine Kommentare hier zu löschen. Ich habe falsch gehandelt und dich angegriffen, das mir nicht erlaubt ist!

    Deshalb bitte ich dich aus tiefsten Herzen mir zu vergeben und es entgültig zu löschen.

    Es tut mir aufrichtig leid, und ich hoffe du vergibst mir und löscht all meine Kommentare

    Jazakillahu kheyr und inschaallah vergibst du mir!

    Sina

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    1. Waleikum salam. Ich hatte nie ein Problem mit Deinen Kommentaren. DAs ist Meinungsfreiheit. Und jeder Kommentar hulft mir bei der Selbtreflektion.
      Einen deiner Kommentare habe ich gelöscht, der andere will gerade nicht. Irgendwas technisches. Werde es morgen nochmal versuchen.

      Viele Grüsse

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  2. Schade, dass Du nicht auf meine Anregung eingegangen bist, selber etwas zu schreiben. Ich bin überzeugt, dass jeder andere Perspektiven einbringt. Dass alles, was ich schreibe, negativ ist, kann ich so nicht sehen. Wenn ich zum Beispiel über das Autofahren schreibe und dass es eben chaotischer als ich es aus Deutschland kenne, will ich das damit nicht als negativ werten. Ich versuche es zu beschreiben. Wie andere das dann bewerten, liegt nicht in meiner Hand. Allerdings möchte ich auch nicht bei meinen Beschreibungen immer im Hinterkopf haben, wie andere Menschen das nun auslegen, aus Angst es könnte negativ sein.
    Ansonsten ist es mir noch wichtig zu sagen, dass ich natürlich keine Frauen ohne Kopftuch abbilde, die normalerweise Kopftuch tragen.
    Und ich kann noch einmal betonen, dass sich das Verhalten in Marokko meiner Meinung nach nicht immer auf den Islam zurückführen lässt. Sicherlich ist die Kultur geprägt vom Islam, allerdings ist sie nicht vollständig dadurch erklärbar. Das wäre zu vereinfacht dargestellt, finde ich. Und manchmal widerspricht sie dem auch. Aber ich finde das normal. Menschen sind widersprüchlich, und Marokko ist nicht nur Islam. Dir trotzdem alles Gute.

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  3. Hallo,

    ich habe mir mit entsetzen deinen Beitrag durchgelesen, ich finde die Gastfreundlichkeit in Marokko ist nicht so wie du es beschrieben hast, weil sie angst haben das schlecht gesprochen wird, sondern weil der Islam es vorschreibt. Es gibt etliche Hadith die sagen wie man sich gegenüber dem Besuch zu beweisen hat, das die Wohnungen dort sauber sind, ist selbstverständlich im Islam. Die Engel besuchen keinen Platz der Dreckig und unordentlich ist. Natürlich liegt mal hier und da was rum, besonders wen Kinder im Haus sind. Kinder kann man aber früh genug daran gewöhnen etwas Ordnung im Haus zu halten und nicht alles raus zu schmeißen, ein Spielzeug wird weggeräumt und das andere kann raus genommen werden. So lernt das Kind von vorn herein Ordentlich zu sein, das kann viele Vorteile im weiteren Leben mit sich bringen. Das schreibt eine Mutter mit drei Kleinkindern im Haus.

    Vielleicht bist du auch keine Muslima, dann tut es mir leid, wenn ich dir mit Hadith (Aussagen des Propheten asws) und dem Islam argumentiert habe, da du es dann nicht nachvollziehen kannst.

    Eine wichtige Frage habe ich jedoch an Dich

    Ich habe nun einige Beiträge von Dir hier durchgelesen und frage mich warum bist Du in Marokko?

    Wenn ich deine Beiträge mir durchlese , lese ich zu 99 Prozent negatives.

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    1. Hallo Sina,
      danke für Deinen Kommentar. Es freut mich ehrlich, wenn Leute Feedback geben, da ich nur so sehe, ob meine Message ankommt. Nur so kann ich sehen, ob man mich versteht oder nicht. Was ich aus Deinem Kommentar gelernt habe, ist, dass ich das Positive stärker betonen sollte, weil es scheinbar untergeht. Denn ich mag das Leben hier und die Menschen. Würde ich in Deutschland leben und einen Blog schreiben, fielen mir genauso viele Eigenarten ein, die mich zu einem Text inspirieren würden. Meine Absicht ist also nicht, alles als schlecht darzustellen. Ich kenne wunderbare Menschen, die ich nicht missen möchte.

      Was die Gastfreundschaft angeht, mag es sein, dass sie in Hadith überliefert und empfohlen wird. Ich bin auch ganz bei Dir, dass es eine wunderbare Eigenschaft ist, die hier aus welchen Gründen auch immer einen großen Stellenwert hat. Was ich lediglich hinzugefügt habe, ist, dass das WIEVIEL vom Gedanken begleitet wird, was andere wohl darüber denken, und nicht vom Gedanken, was in Hadith darüber steht. Das habe ich so erlebt. Ich habe nicht ausgeschlossen, dass es bei Anderen anders abläuft. Aber ich kann nur das schreiben, was ich gesehen habe. Das habe ich auch versucht, in der Beschreibung der Seite zu vermitteln. Diese Texte sind meine Sicht der Dinge und ich erhebe keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit. Außerdem sind die meisten Marokkaner Muslime. Aber für manche Menschen spielt die Religion auch gar keine Rolle mehr. Auch das muss man sehen. So wie in jedem Land. Das heißt, man kann auch nicht alles mit der Religion erklären. Meiner Meinung nach.

      Wenn wir beim Islam bleiben, kann man das WIEVIEL auch kritisch sehen, denke ich. Für mich wäre es schon gastfreundlich und völlig ausreichend, wenn ein Getränk und ein Teller Kekse auf dem Tisch steht. Oder die Selbstverständlichkeit, dass jemand natürlich an den Tisch gebeten wird, wenn er gerade beim Essen zu Besuch kommt. Das habe ich bisher in Marokko immer so erlebt und finde das toll. Aber manchmal wird den Gästen dermaßen viel aufgetischt, dass ich mich frage, ob das nicht schon „Verschwendung“ ist. Es wird nie alles aufgegessen und manche Dinge wie Brot oder Gemüse sind eben nicht ewig haltbar. Und „Verschwendung“ ist unbedingt zu vermeiden, wenn ich das Konzept im Islam richtig verstehe.

      Ich bin übrigens immer offen für Beiträge von anderen Autoren, gerne auch mit einer anderen Sicht auf die Dinge. Ich sehe und erlebe eben nur einen Bruchteil von dem, was Marokko zu bieten hat.

      Viele Grüße

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